Veranstaltung: | Digitales LDK-Festival 2020 |
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Tagesordnungspunkt: | 0.S - Soziales/Wohnen/Gesundheit |
Status: | Beschluss |
Abstimmungsergebnis: | Ja: 9, Nein: 0, Enthaltungen: 0 |
Beschluss durch: | Juso-Landesvorstand |
Beschlossen am: | 09/28/2020 |
Basierend auf: | S01: Mehr Sprachbarrierefreiheit für gehörlose und schwerhörige Gebärdensprachnutzer in Krankenhäusern |
Mehr Sprachbarrierefreiheit für gehörlose und schwerhörige Gebärdensprachnutzer in Krankenhäusern
Beschlusstext
Wir fordern mehr Einsatz für den Bereitschaftsdienst der
Gebärdensprachdolmetscher*innen in öffentlichen Krankenhäusern. Eine sofortige
Maßnahme können nach dem US-amerikanischen Vorbild Ferndolmetscher*innen sein,
die auf Bildschirmen dolmetschen. Diese technische Ausstattung muss in jedem
öffentlichen Krankenhaus zur Verfügung stehen. Eine weitere Möglichkeit besteht
darin, für einfache Gespräche auf der Station (z.B. kurze Gespräche zwischen dem
Pflegepersonal und den Gehörlosen) spezielle Apps zu verwenden. Es gibt bereits
entsprechende Apps, die jedoch kostenpflichtig sind. Das darf nicht sein - sie
müssen kostenlos zur Verfügung gestellt werden und Weiterentwicklungen der Apps
müssen staatlich finanziert werden. Diese Maßnahmen können das Leben sehr vieler
Menschen retten: In Deutschland leben über 80.000 Gehörlose sowie eine noch
größere Anzahl an Schwerhörigen, die auf Gebärdensprache angewiesen sind. Wenn
die Kommunikation gesichert ist, schafft das ein Gefühl von Sicherheit und
Wohlbefinden - eine wichtige Grundlage, sich im Krankenhaus ausreichend zu
erholen. Nicht nur für den*die Patient*in ist es leichter, wenn die
Kommunikation reibungslos funktioniert - auch für Ärzte/Ärztinnen oder
Krankenschwestern/-pfleger*innen bedeutet das weniger Stress.
Vor ähnlichen Problemen stehen in Deutschland auch Nicht-Muttersprachler*innen.
Es gibt für sie aktuell zahlreiche Projekte und Initiativen, die jedoch bei
weitem nicht ausreichend sind, um die sprachlichen Hürden insbesondere auch in
der medizinischen Versorgung hinreichend weit zu senken, um einen vertrauten
Umgang zur Regel zu machen. Daher ist zu prüfen, inwiefern die Strukturen, die
für Gehörlose aufgebaut werden sollen analog auch ihnen zu Gute kommen können.
Begründung
Im Krankenhaus sind die wichtigsten Momente des Lebens jedes Menschen. Dort muss die Kommunikation immer reibungslos laufen: Informationen über Krankheiten und Operationen müssen zu 100% verstanden werden und auch während der stationären Aufnahme muss die Kommunikation barrierefrei sein. Genauso in der Notaufnahme: Was passiert, wenn ein Gehörloser im Sekundentakt nichts versteht und deshalb falsche Antworten liefert? Diese kommunikative Barriere kann großen Schaden anrichten bzw. schwerwiegende Folgen haben!
Eine mögliche Umsetzungsstrategie wäre ein Bereitschaftsdienst für GebärdensprachdolmeterInnen in Teilzeit für jeden Landkreis. Wenn beispielsweise ein Landkreis fünf Krankenhäuser in seinem Umfeld hat, könnten für diese mindestens zwei GebärdensprachdolmetscherInnen in Teilzeit zur Verfügung stehen. Die zwei DolmetscherInnen werden über den ganzen Tag aufgeteilt, jeder bekommt einen Pieper. So dass Sie auch unterwegs sein dürfen. Die Wahrscheinlichkeit, dass an einem Tag so viele Gehörlose gleichzeitig im Krankenhaus eingewiesen werden, ist gering, daher sollte diese Maßnahme ausreichen.
Ein Problem hierbei dürfte sein, dass in Deutschland Dolmetschermangel herrscht. Um diesem entgegenzutreten, wäre es möglich, dass Ferndolmetscher mit Videoübertagung zum Einsatz kommen, wie nach neuseeländischem und amerikanischem Vorbild. So kann eine reibungslose Kommunikation gewährleistet werden. Denn wenn sich ein Patient im Krankenhaus aufhält, sollte immer entweder ein/e DolmetscherIn oder FerndolmetscherIn zur Verfügung stehen. Etwa für Arztbesprechungen, Untersuchungen oder Visiten.
Amerikanisches Vorbild: https://www.nad.org/resources/technology/video-remote-interpreting/ Unter dieser Quelle werden bereits auch für viele andere Zwecke wie Videoferndolmetscher als Zwischenlösung angewendet, wenn keine GebärdensprachdolmetscherInnen persönlich zu einem Termin angemeldet werden können. Hier werden auch Arztpraxen sowie Krankenhäuser erwähnt. Weitere Quellen aus den USA: https://www.languageline.com/interpreting/on-demand/video-remote Nach der languageline-Quelle sollte eine solche technische Ausstattung möglich sein für alle öffentlichen Krankenhäuser. Der Staat müsse uns hierzu eine Möglichkeit zur Umsetzung geben.
Zu einer anderen Perspektive, nämlich die von ausländischen SprachdolmetscherInnen für Ämter: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/107127/Grosses-Interesse-an-Videodolmetscher-in-Thueringen. Auch im medizinischen Bereich sollte Barrierefreiheit auch für die Gehörlosen und Schwerhörigen ermöglicht werden!
Auf Grundlage der Gesetze im GG darf sich kein Nachteil ergeben: https://www.behindertenrechtskonvention.info/gesundheitssorge-3910/
Das Gesetz über US-Amerikaner mit Behinderungen schreibt vor, dass Krankenhäuser, die Bundesmittel erhalten, gehörlosen Patienten helfen, eine effektive Kommunikation sicherzustellen. https://www.statnews.com/2017/05/22/deaf-patients-interpreters/ Das ist ein Extremfall vom Videodolmetschen, daher sollte es nicht die einzige Lösung sein. Es muss zusätzlich einen Bereitschaftsdienst für jedes Krankenhaus zur Verfügung stehen. Sowohl für Notaufnahmen, als auch für Patienten, die sich im Krankenhaus aufhalten. Daher ist das Videodolmetschen eine Zwischenlösung. Hierfür müssen ein Internetzugang mit bester Qualität sowie ein/e TechnikerIn, der/die Videoübertragungsgeräte einrichten kann.
https://www.justdigit.org/are-doctors-or-hospitals-required-to-provide-live-interpreters-for-deaf-patients/ Dort wird beschrieben, wie die Regelungen für eine VRI aussehen sollten -> Ein kurzer Austausch von medizinischen Informationen wie bei Arztvisiten oder schnelle Fragen oder andere ruhige, unkomplizierte Einzelgespräche sollen gedolmetscht werden. Auch hier wird erwähnt, dass die Videoübersetzung nur eine Zwischenlösung ist, wenn kein/e DolmetscherIn kurzfristig vor Ort eingesetzt werden kann.