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Ä01 zu A-03: Mehr Psychotherapieplätze!

Antrag: Mehr Psychotherapieplätze!
Antragsteller*in: Jusos Dresden
Status: Übernahme
Eingereicht: 04/13/2022, 14:07

Antragstext

Von Zeile 1 bis 10:

Die Landesdelegiertenkonferenz der Jusos Sachsen möge beschließen und an die SPD-Bundestagsfraktion weiterleiten:Die Jusos Sachsen mögen beschließen und über den Juso-Bundeskongress, den Landesparteitag derSPD Sachsen und den SPD-Bundesparteitag an die SPD-Fraktionen im Sächsischen Landtag und Deutschen Bundestag weiterleiten:

Die psychotherapeutische Versorgung in Deutschland ist mangelhaft.
Zur Zeit dauert es nach Angaben des Vorsitzenden der Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer (OPK), Gregor Peikert, in Sachsen ca. 6,5 Monate bis zum Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung1. Zahlreiche Gesetzesinitiativen der letzten Jahre – nicht zuletzt die Psychotherapiestrukturreform – hatten zum Ziel, die psychotherapeutische Versorgung zu verbessern. Kürzlich veröffentlichte Daten aus psychotherapeutischen Praxen in 7 deutschen Bundesländern belegen aber, dass dieses Ziel nicht erreicht wurde: Die neu eingeführten Instrumente haben nicht zu einem schnelleren Therapiebeginn für die Betroffenen psychischer Störungen geführt2.

Die Bedarfsplanung ignoriert die Bedürfnisse der Betroffenen
Das verwundert nicht. Denn wenn ein genauer Blick auf die fachliche Bedarfsplanung und die zugrundeliegenden Richtlinien gerichtet wird, ist erkennbar, dass der wichtigste Faktor gar keine Berücksichtigung findet, nämlich wie viele Menschen eigentlich Psychotherapie benötigen.

Ungefähr 31% der Bevölkerung in Deutschland erfüllen die Kriterien für eine psychische Störung, wenn die Zahlen über einen Zeitraum von 12 Monaten erfasst werden3. Gleichzeitig schaffen es nur 1% der Bevölkerung aus eigener Initiative eine Psychotherapie zu beginnen, obwohl durch entsprechende Beratung und Unterstützung das Potenzial mind. 10fach höher läge3. Es leuchtet ein, dass die Autor*innen des Übersichtsartikels bereits 2013 zu dem Schluss kommen, dass „ärztliche oder psychologische Behandlungsangebote […] dem ‚wahren‘ Bedarf weit hinterherhinken“3. Fast 10 Jahre später hat sich an dieser Ausgangslage nichts geändert, werden die langen Wartezeiten betrachtet. Die Bundespsychotherapeutenkammer schätzt, dass mindestens 7000 Kassensitze für eine adäquate Versorgung fehlen4.

Wie wird die Versorgungslage offiziell bewertet?
Ein paar Beispiele aus Sachsen: In den Städten Chemnitz und Dresden versorgen psychologische und ärztliche Psychotherapeut*innen ca. 10-11% der Bevölkerung, setzt man die abgerechneten Fälle im Jahr 2019 mit einzelnen Personen gleich. Im Raum Riesa-Großenhain oder dem Landkreis Sächsische Schweiz sind es 6-7%5. Nach offiziellen Angaben ist Sachsen damit überall ausreichend versorgt. Allerdings erhalten diese Menschen nicht in jedem Fall Psychotherapie, sondern häufig lediglich eine beliebige Form von professioneller Unterstützung (interventionelle Kurzgespräche, Psychopharmaka, etc.). Diese Schlussfolgerung ergibt sich nämlich zwangsläufig aus den von der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS) veröffentlichten Zahlen: Psychologische Psychotherapeut*innen erbringen ihre Dienstleistung zu nahezu 100% durch Einzel- und Gruppentherapien und behandeln durchschnittlich 61,8 Patient:innen pro Jahr6. Nach Berechnung der KVS sollen sie aber ca. 300 Personen pro Jahr behandelt haben, weil dieser Durchschnittswert allen zugeschrieben wird, die psychotherapeutische Dienstleistungen im weiteren Sinn anbieten, von Hausärzt*innen mit Zusatzbezeichnung Psychotherapie, Fachärzt*innen für Psychiatrie/Psychotherapie/Psychosomatik und eben psychologischen Psychotherapeut*innen. Die überwiegende Mehrzahl der Menschen, die offiziell psychotherapeutisch versorgt werden, erhält folglich keine Psychotherapie im eigentlichen Sinn.

Eine Reform des G-BA ist unumgänglich, nur so ändert sich die Bedarfsplanung
Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen sieht auf der Grundlage der geltenden Bedarfsplanungsrichtlinien also keine Hinweise für eine Unterversorgung, obwohl die Wirklichkeit anders aussieht. Dieser Systemfehler muss behoben werden! Zur Erinnerung: deutschlandweit fehlen geschätzt 7000 psychotherapeutische Kassensitze. Bedarfsplanungen werden auf Länderebene durchgeführt, nach Richtlinien, die bundesweit durch den Gemeinsamen Bundesausschuss festgelegt wurden, und anschließend gemeinsam durch gesetzliche Krankenversicherungen und die jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen beschlossen. Patient*innen und fachspezifische Expert*innen haben keine Mitbestimmungsrechte; diejenigen also, die direkt an Psychotherapie beteiligt sind, werden vollständig ignoriert und damit auch der legitime Anspruch eine Behandlung nach aktuellem Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse und Leitlinien zu erhalten. Eine bessere Versorgung kann also nur über eine Änderung der Arbeitsweise und Zusammensetzung von Landesausschüssen und Gemeinsamem Bundesausschuss sinnvoll erfolgen.

Wir fordern deswegen

  1. die Beteiligung von Patient*innen und fachspezifischen Expert*innen als stimmberechtigte Mitglieder (jeweils 25% der Sitze),
  1. die Trennung der Bedarfsplanung von ärztlichen und psychologischen Psychotherapeut*innen,
  1. eine Orientierung der Bedarfsplanung an wissenschaftlichen Studien mit Ergebnissen zur Häufigkeit einzelner psychischer Störungen,

Die Gesetzlichen Krankenkassen werden dazu verpflichtet eine ausreichende Anzahl sogenannter Kassensitze an Psychotherapeut:innen zu vergeben, sodass eine psychotherapeutische Versorgung für alle sichergestellt ist. Laut Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fehlen ca. 7000 Kassensitze [1]. Diese sind umgehend durch die Gesetzlichen Krankenkassen zu vergeben. Zusätzlich soll das Vergabesystem evaluiert werden

  1. dass aktuelle Leitlinien zur Behandlung von psychischen Störungen durch die Bedarfsplanung mit mehr psychologisch-psychotherapeutischen Kassensitzen endlich umsetzbar gemacht werden.

Außerdem soll mindestens einmal pro Legislatur des Bundestages die Zahl der Kassensitze durch die BPtK evaluiert und ggf. angepasst werden.

Denn die Studienlage ist eindeutig: Menschen profitieren dauerhaft von Psychotherapie. Mehr Menschen brauchen Psychotherapie – und das geht nur mit mehr Psychotherapeut*innen!

Referenzen:
[1] https://www.dnn.de/Region/Mitteldeutschland/Patienten-in-Sachsen-warten-ein-halbes-Jahr-auf-eine-Psychotherapie
[2] Singer, S., Maier, L., Paserat, A. et al. Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz vor und nach der Psychotherapiestrukturreform. Psychotherapeut 67, 176–184 (2022). https://doi.org/10.1007/s00278-021-00551-0
[3] Jacobi, F., Kessler-Scheil, S. Epidemiologie psychischer Störungen. Psychotherapeut 58, 191–206 (2013). https://doi.org/10.1007/s00278-013-0962-z
[4] https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/psychotherapie-plaetze-kranke-zweifeln-oft-ob-ihnen-hilfe-zusteht-a-1259713.html
[5] Kassenärztliche Vereinigung Sachsen, Bedarfsplan 2020, https://www.kvs-sachsen.de/fileadmin/data/kvs/img/Mitglieder/Arbeiten_als_Arzt/Bedarfsplanung/20-0131_Bedarfsplan_2020_Stand_20200131.pdf
[6] Kassenärztliche Bundesvereinigung, Quartal 4/2019, https://gesundheitsdaten.kbv.de/cms/html/17023.php

Begründung

erfolgt mündlich

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Impressum DatenschutzAntragsgrün, Version 4.5.1